Was wird im Führungszeugnis eingetragen?

Der Brief vom Gericht liegt auf dem Tisch. Eine Verurteilung – vielleicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, einer Körperverletzung oder eines Betrugsdelikts. Die erste Frage, die sich stellt: Wird das jetzt im Führungszeugnis stehen? Und wenn ja – für wie lange? Diese Fragen beschäftigen Tausende Menschen jährlich, denn ein Eintrag im Führungszeugnis kann weitreichende Konsequenzen haben – vom verpassten Traumjob bis zur gescheiterten Wohnungssuche.

Das Führungszeugnis ist ein amtliches Dokument, das Auskunft über die strafrechtliche Vergangenheit einer Person gibt. Es wird vom Bundesamt für Justiz geführt und basiert auf den Daten des Bundeszentralregisters. Doch nicht jede Verurteilung findet automatisch ihren Weg in dieses Zeugnis. Das deutsche Recht unterscheidet sehr genau zwischen dem, was im Bundeszentralregister gespeichert wird, und dem, was tatsächlich im Führungszeugnis erscheint. Diese Unterscheidung ist für Betroffene von enormer Bedeutung.

Grundsätzlich werden strafrechtliche Verurteilungen eingetragen, die von deutschen Gerichten rechtskräftig ausgesprochen wurden. Dazu gehören Geldstrafen, Freiheitsstrafen mit und ohne Bewährung, Jugendstrafen sowie bestimmte Maßregeln der Besserung und Sicherung. Auch Verurteilungen wegen Ordnungswidrigkeiten, die in Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz stehen, können unter Umständen erscheinen. Entscheidend ist dabei immer die Rechtskraft des Urteils – erst wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind oder die Einspruchsfrist abgelaufen ist, erfolgt die Eintragung.

Bundeszentralregister versus Führungszeugnis

Ein häufiger Irrtum besteht darin, Bundeszentralregister und Führungszeugnis gleichzusetzen. Das Bundeszentralregister enthält deutlich mehr Informationen als das Führungszeugnis, das Sie bei Behörden oder Arbeitgebern vorlegen. Im Register werden nahezu alle strafrechtlichen Entscheidungen gespeichert, während das Führungszeugnis nur einen gefilterten Auszug darstellt. Diese Filterung erfolgt nach den Vorgaben des Bundeszentralregistergesetzes und berücksichtigt sowohl die Schwere der Tat als auch das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten.

Behörden wie Staatsanwaltschaften oder Gerichte haben Zugriff auf das vollständige Register. Private Arbeitgeber oder Vermieter hingegen sehen nur das gefilterte Führungszeugnis. Diese Abstufung ist bewusst gewählt, um einerseits die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und andererseits dem Verurteilten eine zweite Chance zu ermöglichen. Besonders bei geringfügigen Verfehlungen wirkt sich diese Regelung positiv aus.

Welche Arten von Verurteilungen werden erfasst?

Die im Führungszeugnis erscheinenden Verurteilungen lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen. Geldstrafen ab einer bestimmten Höhe werden ebenso eingetragen wie Freiheitsstrafen jeglicher Dauer. Auch Jugendstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden oder vollstreckt werden mussten, finden sich hier wieder. Besondere Aufmerksamkeit gilt den sogenannten Maßregeln der Besserung und Sicherung, zu denen etwa die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder die Entziehung der Fahrerlaubnis gehören.

Nicht eingetragen werden hingegen Verfahrenseinstellungen nach den Paragrafen 153 oder 153a der Strafprozessordnung. Auch Freisprüche erscheinen nicht im Führungszeugnis, ebenso wenig wie Verwarnungen mit Strafvorbehalt nach Paragraf 59 des Strafgesetzbuches. Diese Regelungen verdeutlichen, dass das Führungszeugnis primär tatsächliche Verurteilungen dokumentiert und nicht jeden Kontakt mit der Strafjustiz.

Bagatellgrenzen: Wann erfolgt kein Eintrag?

Die gute Nachricht für viele Erstverurteilte: Das deutsche Recht kennt sogenannte Bagatellgrenzen, unterhalb derer kein Eintrag im Führungszeugnis erfolgt. Diese Grenzen sind im Bundeszentralregistergesetz festgelegt und sollen verhindern, dass einmalige, geringfügige Verfehlungen das gesamte weitere Leben belasten. Der Gesetzgeber erkennt damit an, dass Menschen Fehler machen können, ohne deshalb dauerhaft stigmatisiert zu werden.

Die wichtigste Bagatellgrenze betrifft Geldstrafen. Eine Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen wird grundsätzlich nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, sofern es sich um eine erste Verurteilung handelt und keine weitere Strafe im Register eingetragen ist. Diese Regelung gilt jedoch nicht uneingeschränkt – bei bestimmten Sexualdelikten oder wenn bereits frühere Eintragungen vorliegen, entfällt diese Privilegierung. Auch Freiheitsstrafen von nicht mehr als drei Monaten können unter bestimmten Voraussetzungen von der Eintragung ausgenommen sein.

Praxis-Tipp: Vor der Hauptverhandlung Strategie entwickeln

Wenn Sie mit einem Strafverfahren konfrontiert sind, sollten Sie frühzeitig die möglichen Auswirkungen auf Ihr Führungszeugnis bedenken. Eine Geldstrafe von 89 Tagessätzen hat völlig andere Konsequenzen als eine von 91 Tagessätzen. In vielen Fällen lohnt es sich, im Rahmen einer Verständigung mit dem Gericht auf die Einhaltung der Bagatellgrenze hinzuwirken, sofern dies strafrechtlich vertretbar ist.

Voraussetzungen für die Anwendung der Bagatellgrenze

Die Anwendung der Bagatellgrenze ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Erstens muss es sich um die erste Verurteilung handeln – wer bereits einen Eintrag im Register hat, kann von dieser Regelung nicht profitieren. Zweitens darf die Strafe die festgelegte Grenze nicht überschreiten. Bei Geldstrafen liegt diese bei 90 Tagessätzen, bei Freiheitsstrafen bei drei Monaten. Drittens dürfen daneben keine weiteren Strafen verhängt worden sein, wie etwa ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem Bundeszentralregister und dem Führungszeugnis. Auch wenn eine Verurteilung nicht im Führungszeugnis erscheint, wird sie dennoch im Bundeszentralregister gespeichert. Das bedeutet, dass Behörden weiterhin Kenntnis von dieser Verurteilung erlangen können, während private Arbeitgeber oder Vermieter bei Vorlage eines Führungszeugnisses nichts davon erfahren.

Wichtige Ausnahmen bei Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten

Bei bestimmten Straftaten gelten die Bagatellgrenzen nicht. Insbesondere Verurteilungen wegen Sexualdelikten werden auch bei geringen Strafen in das erweiterte Führungszeugnis aufgenommen. Diese Regelung dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen und soll verhindern, dass Personen mit entsprechender Vorgeschichte in bestimmten Bereichen tätig werden können. Auch Verurteilungen wegen Betäubungsmittelstraftaten können unabhängig von der Strafhöhe eingetragen werden.

Die Ausnahmen betreffen vor allem Tätigkeiten, die eine besondere Vertrauensstellung erfordern. Wer mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten möchte, muss in der Regel ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, in dem auch geringfügige einschlägige Verurteilungen erscheinen. Diese verschärften Regelungen sind Ausdruck der besonderen Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Personengruppen und werden von den Gerichten konsequent angewandt.

Beispiel: Grenzfall bei einer Körperverletzung

Herr K. geriet nach einem Fußballspiel in eine Auseinandersetzung und versetzte seinem Kontrahenten einen Faustschlag. Das Gericht verurteilte ihn wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Da Herr K. nicht vorbestraft war und keine weiteren Nebenstrafen verhängt wurden, erschien diese Verurteilung nicht in seinem Führungszeugnis. Bei seiner Bewerbung als Vertriebsmitarbeiter musste er die Vorstrafe daher nicht angeben und erhielt die Stelle.

Wie lange bleiben Einträge bestehen?

Die Dauer eines Eintrags im Führungszeugnis richtet sich nach der Schwere der verhängten Strafe. Der Gesetzgeber hat ein abgestuftes System geschaffen, das zwischen verschiedenen Strafarten und -höhen differenziert. Grundsätzlich gilt: Je schwerer die Strafe, desto länger bleibt sie im Führungszeugnis sichtbar. Diese Regelung trägt dem Gedanken Rechnung, dass schwerere Straftaten eine längere Bewährungszeit rechtfertigen, bevor der Betroffene wieder als unbescholten gilt.

Die Fristen beginnen nicht mit der Verurteilung, sondern mit dem Tag der ersten Entscheidung. Bei Freiheitsstrafen, die vollständig verbüßt werden, ist der Tag der Entlassung maßgeblich. Diese Regelung berücksichtigt, dass die tatsächliche Strafverbüßung erst mit der Entlassung abgeschlossen ist und der Resozialisierungsprozess von diesem Zeitpunkt an gerechnet werden sollte. Bei Bewährungsstrafen hingegen beginnt die Frist bereits mit dem Urteil.

Für die Berechnung der Tilgungsfristen im Führungszeugnis ist zwischen der Tilgung im Bundeszentralregister und dem Verschwinden aus dem Führungszeugnis zu unterscheiden. Das Führungszeugnis zeigt Eintragungen in der Regel kürzer an als das Bundeszentralregister. Diese Differenzierung ermöglicht es dem Verurteilten, im privaten Bereich früher wieder unbescholten aufzutreten, während Behörden weiterhin Zugriff auf die vollständigen Informationen haben.

So werden die Fristen berechnet

Die Berechnung der Tilgungsfristen folgt klaren gesetzlichen Vorgaben. Bei Geldstrafen, die ins Führungszeugnis eingetragen werden, beträgt die Tilgungsfrist grundsätzlich drei Jahre. Diese Frist beginnt mit dem Tag der ersten Verurteilung und läuft unabhängig davon, wann die Geldstrafe tatsächlich bezahlt wird. Auch Ratenzahlungen oder Ersatzfreiheitsstrafen ändern an dieser Berechnung nichts.

Bei Freiheitsstrafen ist die Berechnung komplexer. Hier spielt die tatsächliche Verbüßung eine Rolle. Wird eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, beginnt die Tilgungsfrist mit dem Tag der Verurteilung. Wird die Strafe hingegen vollstreckt, ist der Tag der Entlassung aus der Haft maßgeblich. Bei vorzeitiger Entlassung aufgrund guter Führung beginnt die Frist entsprechend früher zu laufen.

Besonderheiten bei mehreren Verurteilungen

Kompliziert wird die Berechnung, wenn mehrere Verurteilungen vorliegen. Das Bundeszentralregistergesetz kennt hierfür das sogenannte Rückfallprinzip. Wird jemand erneut verurteilt, bevor eine frühere Verurteilung getilgt wurde, verlängern sich unter Umständen die Tilgungsfristen für alle Eintragungen. Diese Regelung soll verhindern, dass Wiederholungstäter zu schnell wieder als unbescholten gelten.

Die konkrete Auswirkung hängt von der Art der neuen Verurteilung ab. Nicht jede neue Strafe führt automatisch zu einer Verlängerung. Entscheidend ist, ob die neue Verurteilung selbst im Führungszeugnis eingetragen wird. Bleibt sie unter der Bagatellgrenze, hat sie in der Regel keine Auswirkungen auf bestehende Eintragungen. Diese Differenzierung ist für Betroffene von großer praktischer Bedeutung.

Automatische Löschungsfristen im Detail

Das deutsche Recht sieht eine automatische Tilgung von Einträgen im Führungszeugnis vor. Diese erfolgt von Amts wegen, ohne dass der Betroffene einen Antrag stellen muss. Die Tilgung bedeutet, dass die Verurteilung aus dem Führungszeugnis verschwindet und bei zukünftigen Abfragen nicht mehr erscheint. Im Bundeszentralregister bleibt die Eintragung allerdings noch etwas länger gespeichert, bevor auch dort die endgültige Löschung erfolgt.

Die Tilgungsfristen sind im Bundeszentralregistergesetz detailliert geregelt und richten sich nach der Art und Höhe der verhängten Strafe. Geldstrafen werden nach drei Jahren aus dem Führungszeugnis getilgt, Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr nach fünf Jahren und höhere Freiheitsstrafen nach zehn Jahren. Bei lebenslangen Freiheitsstrafen oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfolgt keine automatische Tilgung.

Checkliste: Tilgungsfristen nach Strafart

  • Geldstrafen über 90 Tagessätze: Tilgung nach 3 Jahren ab Urteilstag
  • Freiheitsstrafen bis 3 Monate auf Bewährung: Tilgung nach 3 Jahren
  • Freiheitsstrafen bis 1 Jahr: Tilgung nach 5 Jahren
  • Freiheitsstrafen über 1 Jahr bis 3 Jahre: Tilgung nach 10 Jahren
  • Freiheitsstrafen über 3 Jahre: Tilgung nach 15 Jahren im Register
  • Jugendstrafen: Besondere, oft kürzere Fristen je nach Einzelfall

Tilgung bei Bewährungsstrafen

Bewährungsstrafen nehmen eine besondere Stellung ein. Wird eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit erfolgreich überstanden, wird die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen. Dieser Straferlass hat positive Auswirkungen auf die Tilgungsfrist. Die Verurteilung wird dann behandelt wie eine erstmalige Verurteilung zu einer Geldstrafe und nach drei Jahren aus dem Führungszeugnis getilgt.

Wichtig ist dabei, dass die Bewährung tatsächlich erfolgreich verläuft. Wird die Bewährung widerrufen, weil der Verurteilte gegen Auflagen verstoßen oder eine neue Straftat begangen hat, gelten die regulären Tilgungsfristen für Freiheitsstrafen. Der Widerruf der Bewährung hat also nicht nur die Verbüßung der Strafe zur Folge, sondern auch eine deutlich längere Eintragungsdauer im Führungszeugnis.

Besonderheiten bei Jugendstrafen

Für Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetz gelten teilweise abweichende Regelungen. Der Gesetzgeber berücksichtigt hier, dass junge Menschen besondere Entwicklungschancen erhalten sollen. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel werden in der Regel nicht in das Führungszeugnis eingetragen. Auch Jugendstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden, unterliegen besonderen Tilgungsvorschriften.

Bei Jugendstrafen, die vollstreckt werden, beträgt die Tilgungsfrist in der Regel fünf Jahre nach der Entlassung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht jedoch anordnen, dass die Strafe gar nicht erst in das Führungszeugnis aufgenommen wird. Diese Möglichkeit besteht insbesondere dann, wenn die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen positiv verlaufen ist und eine weitere Eintragung der Resozialisierung entgegenstehen würde.

Verurteilung erhalten und unsicher über die Auswirkungen auf Ihr Führungszeugnis?
Klären Sie Ihre individuelle Situation – berechnen Sie Ihre Tilgungsfristen jetzt

Vorzeitige Löschung durch Gnadengesuch

Die automatische Tilgung erfolgt erst nach Ablauf der gesetzlichen Fristen. In Ausnahmefällen besteht jedoch die Möglichkeit, eine vorzeitige Löschung zu erreichen. Das wichtigste Instrument hierfür ist das Gnadengesuch. Es richtet sich an die zuständige Gnadenbehörde, die je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet ist. In den meisten Fällen ist dies der Justizminister des jeweiligen Bundeslandes oder der Bundespräsident bei Verurteilungen durch Bundesgerichte.

Ein Gnadengesuch kann verschiedene Ziele verfolgen. Neben der vorzeitigen Tilgung aus dem Führungszeugnis kann auch die Aufhebung von Nebenfolgen wie einem Berufsverbot oder der Entziehung des Wahlrechts beantragt werden. Die Erfolgsaussichten hängen von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere vom Zeitablauf seit der Verurteilung, dem Verhalten des Antragstellers nach der Tat und den konkreten Auswirkungen des Eintrags auf sein Leben.

Das Verfahren ist nicht förmlich geregelt und liegt im Ermessen der Gnadenbehörde. Ein Rechtsanspruch auf positive Entscheidung besteht nicht. Dennoch werden Gnadengesuche regelmäßig bewilligt, wenn besondere Umstände vorliegen – etwa wenn der Eintrag einer beruflichen Tätigkeit entgegensteht, die der Antragsteller seit Jahren erfolgreich ausübt, oder wenn die Tat bereits sehr lange zurückliegt und der Antragsteller sich seither tadellos geführt hat.

Wann hat ein Gnadengesuch Aussicht auf Erfolg?

Die Gnadenbehörden entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen. Bestimmte Faktoren erhöhen jedoch die Erfolgsaussichten erheblich. Zunächst sollte die Verurteilung bereits eine gewisse Zeit zurückliegen – je länger, desto besser. Ferner ist entscheidend, dass der Antragsteller sich seit der Tat bewährt hat, also nicht erneut straffällig geworden ist und ein geregeltes Leben führt. Besonders gewichtig sind konkrete Nachteile, die der Eintrag verursacht.

Als begründete Nachteile werden von den Behörden insbesondere berufliche Hindernisse anerkannt. Wenn jemand aufgrund des Eintrags eine Stelle nicht antreten kann oder eine bereits ausgeübte Tätigkeit aufgeben müsste, spricht dies für eine vorzeitige Tilgung. Auch familiäre Gründe können eine Rolle spielen, etwa wenn ein Elternteil aufgrund des Eintrags nicht mehr in der Kinderbetreuung tätig sein kann.

Praxis-Tipp: Gnadengesuch sorgfältig vorbereiten

Ein Gnadengesuch sollte nicht leichtfertig gestellt werden. Sammeln Sie zunächst alle Unterlagen, die Ihre positive Entwicklung seit der Tat belegen: Arbeitszeugnisse, Fortbildungsnachweise, ehrenamtliche Tätigkeiten oder Referenzschreiben von Arbeitgebern. Je konkreter Sie darlegen können, welche Nachteile der Eintrag für Ihr Leben hat und wie Sie sich seit der Tat bewährt haben, desto höher sind die Erfolgsaussichten.

Ablauf des Gnadenverfahrens

Das Gnadengesuch wird schriftlich bei der zuständigen Behörde eingereicht. Es sollte eine ausführliche Darstellung der persönlichen Verhältnisse enthalten, die Gründe für die vorzeitige Tilgung benennen und durch entsprechende Nachweise untermauert werden. Die Behörde holt in der Regel Stellungnahmen ein, etwa von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht, das die Verurteilung ausgesprochen hat.

Die Bearbeitungszeit variiert je nach Bundesland und Komplexität des Falls. Mit einer Entscheidung ist in der Regel innerhalb von drei bis sechs Monaten zu rechnen. Wird das Gesuch abgelehnt, kann nach Ablauf einer gewissen Frist ein erneuter Antrag gestellt werden. Die Ablehnung ist grundsätzlich nicht anfechtbar, da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt.

Unterschied zwischen einfachem und erweitertem Führungszeugnis

Das deutsche Recht kennt verschiedene Arten von Führungszeugnissen, die sich in ihrem Inhalt und Verwendungszweck unterscheiden. Das einfache Führungszeugnis, auch Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde genannt, enthält die grundlegenden Eintragungen und wird für die meisten Zwecke verwendet. Das erweiterte Führungszeugnis hingegen enthält zusätzliche Informationen und wird nur für bestimmte Tätigkeiten benötigt.

Der wesentliche Unterschied liegt im Umfang der ausgewiesenen Verurteilungen. Während das einfache Führungszeugnis die Bagatellgrenzen berücksichtigt und geringfügige Verurteilungen nicht ausweist, enthält das erweiterte Führungszeugnis auch solche Eintragungen, die im einfachen Zeugnis nicht erscheinen würden. Dies gilt insbesondere für Verurteilungen wegen bestimmter Sexualdelikte, auch wenn die Strafe unter der üblichen Bagatellgrenze liegt.

Die Unterscheidung ist für Betroffene von erheblicher praktischer Bedeutung. Wer beispielsweise wegen einer geringfügigen Sexualstraftat verurteilt wurde, kann zwar ein sauberes einfaches Führungszeugnis erhalten, im erweiterten Führungszeugnis erscheint die Verurteilung jedoch. Dies kann den Zugang zu bestimmten Berufsfeldern dauerhaft versperren, insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit.

Wann wird ein erweitertes Führungszeugnis benötigt?

Das erweiterte Führungszeugnis ist für Tätigkeiten vorgeschrieben, die eine besondere Vertrauensstellung gegenüber Kindern und Jugendlichen beinhalten. Dazu gehören etwa Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte, Betreuer in Jugendfreizeiten oder Trainer in Sportvereinen. Auch Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig Kontakt zu Minderjährigen haben, benötigen dieses erweiterte Zeugnis.

Die Anforderung eines erweiterten Führungszeugnisses muss vom Antragsteller begründet werden. In der Regel legt der Arbeitgeber oder Träger eine entsprechende Bescheinigung vor, aus der hervorgeht, dass die beabsichtigte Tätigkeit die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses erfordert. Ohne diese Bescheinigung stellt das Bundesamt für Justiz nur ein einfaches Führungszeugnis aus.

Beispiel: Unterschiedliche Auswirkungen je nach Zeugnisart

Frau M. wurde vor zwei Jahren wegen einer sexuellen Belästigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Als sie sich um eine Stelle in einer Versicherung bewarb, legte sie ein einfaches Führungszeugnis vor – dieses war leer, da die Strafe unter der Bagatellgrenze lag. Als sie später eine Tätigkeit als Betreuerin in einer Kindertagesstätte anstrebte, musste sie ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Dort erschien die Verurteilung, und die Stelle wurde ihr nicht angeboten.

Das behördliche Führungszeugnis

Neben dem privaten Führungszeugnis, das zur Vorlage bei Arbeitgebern oder Vermietern dient, gibt es das behördliche Führungszeugnis. Dieses wird direkt an eine Behörde übersandt und enthält umfangreichere Informationen als das private Zeugnis. Es wird benötigt, wenn eine Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Kenntnis von strafrechtlichen Verurteilungen erlangen muss.

Typische Anwendungsfälle sind Gewerbeanmeldungen, Waffenerlaubnisse oder die Zulassung zu bestimmten Berufen. Die Behörde erhält dabei Informationen, die im privaten Führungszeugnis unter Umständen nicht erscheinen würden. Diese erweiterte Auskunft ermöglicht es den Behörden, eine fundierte Entscheidung über die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu treffen.

Auswirkungen auf Beruf und Bewerbungen

Ein Eintrag im Führungszeugnis kann erhebliche Auswirkungen auf das Berufsleben haben. Viele Arbeitgeber verlangen im Bewerbungsverfahren die Vorlage eines Führungszeugnisses, um sich ein Bild von der Zuverlässigkeit des Bewerbers zu machen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht jeder Arbeitgeber berechtigt ist, ein Führungszeugnis zu verlangen. Die Anforderung muss durch ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt sein.

Das berechtigte Interesse ergibt sich in der Regel aus der Art der Tätigkeit. Bei Positionen mit besonderer Vertrauensstellung, Zugang zu sensiblen Daten oder finanziellen Befugnissen ist die Anforderung eines Führungszeugnisses regelmäßig gerechtfertigt. Gleiches gilt für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in sicherheitsrelevanten Bereichen. Bei einfachen Tätigkeiten ohne besondere Vertrauensstellung kann die Anforderung hingegen unverhältnismäßig sein.

Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Arbeitgeber nach Vorstrafen fragen darf, ist rechtlich komplex. Grundsätzlich gilt: Eine pauschale Frage nach Vorstrafen ist unzulässig. Der Arbeitgeber darf nur nach Verurteilungen fragen, die für die konkrete Tätigkeit relevant sind. Bei einem Eintrag, der nicht offenbart werden muss, besteht auch keine Pflicht zur Offenlegung – der Bewerber darf hier sogar lügen, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Was darf der Arbeitgeber fragen?

Das Fragerecht des Arbeitgebers ist durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesdatenschutzgesetz begrenzt. Zulässig sind nur Fragen, die einen direkten Bezug zur ausgeschriebenen Stelle haben. So darf ein Transportunternehmen nach Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten fragen, ein Finanzdienstleister nach Vermögensdelikten. Allgemeine Fragen nach "Vorstrafen" oder "Einträgen im Führungszeugnis" hingegen gehen zu weit.

Wird eine unzulässige Frage gestellt, steht dem Bewerber das sogenannte "Recht zur Lüge" zu. Er darf die Frage wahrheitswidrig verneinen, ohne dass ihm daraus Nachteile entstehen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Frage tatsächlich unzulässig war. Bei zulässigen Fragen kann eine Falschaussage zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung führen.

Auswirkungen auf bestehende Arbeitsverhältnisse

Auch in bestehenden Arbeitsverhältnissen kann eine strafrechtliche Verurteilung Konsequenzen haben. Grundsätzlich besteht keine Pflicht, den Arbeitgeber über eine Verurteilung zu informieren. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Verurteilung einen direkten Bezug zur Tätigkeit hat und das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer berührt. Ein Kassierer, der wegen Unterschlagung verurteilt wurde, müsste dies seinem Arbeitgeber mitteilen.

Eine Kündigung allein wegen einer Vorstrafe ist in der Regel nicht gerechtfertigt. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass die Verurteilung konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Bei Straftaten, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses begangen wurden und keinen Bezug zur Tätigkeit haben, fehlt es regelmäßig an einem Kündigungsgrund. Anders sieht es bei Straftaten zum Nachteil des Arbeitgebers oder bei Tätigkeiten aus, die ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordern.

Praxis-Tipp: Proaktiv mit der Situation umgehen

Wenn Sie wissen, dass eine Verurteilung im Führungszeugnis erscheint, und sich auf Stellen bewerben, bei denen ein Führungszeugnis verlangt wird, kann es sinnvoll sein, das Thema proaktiv anzusprechen. Erklären Sie die Umstände, zeigen Sie Ihre positive Entwicklung seit der Tat auf und demonstrieren Sie, dass Sie aus dem Fehler gelernt haben. Viele Arbeitgeber schätzen diese Offenheit mehr als das Verschweigen eines Eintrags, der ohnehin ans Licht kommen wird.

Ihre Rechte als Betroffener

Als Person, die von einem Eintrag im Führungszeugnis betroffen ist, stehen Ihnen verschiedene Rechte zu. Das wichtigste ist das Recht auf Selbstauskunft. Sie können jederzeit ein Führungszeugnis zur eigenen Vorlage beantragen, um zu erfahren, welche Eintragungen über Sie gespeichert sind. Darüber hinaus können Sie auch eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister beantragen, die umfassendere Informationen enthält.

Ein weiteres wichtiges Recht ist das Recht auf Berichtigung. Sollten Eintragungen im Führungszeugnis unrichtig sein, können Sie deren Korrektur verlangen. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine Verurteilung falsch zugeordnet wurde oder die Tilgungsfrist nicht korrekt berechnet wurde. Der Antrag auf Berichtigung ist an das Bundesamt für Justiz zu richten und muss die behaupteten Fehler konkret bezeichnen.

Das Resozialisierungsinteresse ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass Straftäter nach Verbüßung ihrer Strafe das Recht haben, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden. Die Tilgungsvorschriften im Bundeszentralregistergesetz sind Ausdruck dieses Grundsatzes. Sie sollen sicherstellen, dass vergangene Verfehlungen nicht dauerhaft das Leben der Betroffenen belasten.

So beantragen Sie eine Selbstauskunft

Die Selbstauskunft können Sie beim Bundesamt für Justiz beantragen. Dies ist sowohl schriftlich als auch online über das Bürgerportal möglich. Sie benötigen einen gültigen Personalausweis oder Reisepass zur Identifizierung. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel ein bis zwei Wochen. Das Führungszeugnis wird Ihnen per Post zugesandt oder kann bei der örtlichen Meldebehörde abgeholt werden.

Alternativ zur Beantragung beim Bundesamt für Justiz können Sie das Führungszeugnis auch bei Ihrer örtlichen Meldebehörde beantragen. Hier fallen geringe Gebühren an, die derzeit bei etwa 13 Euro liegen. Bei Online-Beantragung über das Bürgerportal ist der Vorgang besonders einfach und schnell. Sie erhalten das Zeugnis dann ebenfalls per Post oder zur Abholung bei der Behörde.

Widerspruch gegen fehlerhafte Eintragungen

Stellen Sie bei der Selbstauskunft fest, dass eine Eintragung fehlerhaft ist, können Sie Widerspruch einlegen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine Verurteilung Ihnen zugeordnet wurde, die eine andere Person betrifft, oder wenn die Tilgungsfrist bereits abgelaufen sein sollte. Der Widerspruch ist schriftlich beim Bundesamt für Justiz einzureichen und sollte die behaupteten Fehler konkret benennen.

Das Bundesamt prüft den Widerspruch und nimmt gegebenenfalls Korrekturen vor. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, können Sie Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben. In der Praxis sind solche Fälle jedoch selten, da die Eintragungen in der Regel auf rechtskräftigen Urteilen beruhen und entsprechend sorgfältig erfasst werden. Häufiger sind Streitigkeiten über die korrekte Berechnung von Tilgungsfristen.

Checkliste: Ihre Rechte auf einen Blick

  • Beantragen Sie regelmäßig eine Selbstauskunft zur Kontrolle der Eintragungen
  • Prüfen Sie, ob die berechneten Tilgungsfristen korrekt sind
  • Legen Sie Widerspruch ein bei fehlerhaften Eintragungen
  • Erwägen Sie ein Gnadengesuch bei besonderen Härtefällen
  • Beantworten Sie nur zulässige Fragen im Bewerbungsverfahren
  • Nutzen Sie das Recht zur Lüge bei unzulässigen Fragen des Arbeitgebers
  • Dokumentieren Sie Ihre positive Entwicklung seit der Verurteilung